Autor -Gerhard Schmid

Gerhard Schmid zum Ableben von Karl Merkatz: Ein echter Wiener ist von uns gegangen

„Er war ein Brückenbauer zwischen den Gesellschaftsschichten: Einerseits als ‚Bockerer‘ oder als ‚Mundl‘ der Proletarier, der seinen Prinzipien treu bleibt und sich kein Blatt vor den Mund nimmt. Und andererseits in vielen ‚ernsten‘ Rollen im Film und im Theater“, betonte der Vorsitzende der SPÖ-Bundesbildungsvorsitzende und Vorsitzende des Kulturausschusses im Wiener Gemeinderat, LAbg. Gerhard Schmid, zum Ableben von Karl Merkatz. Schmid weiter: „Mit dem ‚Bockerer‘ hat er einen unglaublichen Beitrag zur Aufarbeitung der österreichischen Geschichte geleistet und deren Widersprüchlichkeit aufgezeigt. Aber nicht nur im Film hatte er das Herz am rechten Fleck, sondern auch im Privatleben, etwa als Obmann von SOS-Mitmensch. Karl Merkatz war ein grandioser Schauspieler in seiner Vielfältigkeit, und als dieser Ausnahmekünstler wird er uns immer in Erinnerung bleiben.“

Geboren wurde Merkatz am 17. November 1930 als Sohn eines Werkzeugmachers und einer Weberin in Wiener Neustadt. Schon als Kind war er vom Theater fasziniert und spielte in einer Laiengruppe, doch auf Wunsch seiner Eltern, „ein richtiges Handwerk“ zu erlernen, machte er zunächst eine Tischlerlehre. Nach absolvierter Lehre ging er nach Zürich und verfolgte dort sein Ziel, Schauspieler zu werden. Nachdem er Schauspielunterricht genommen hatte, unter anderem in Wien, begann er ein Studium am Mozarteum in Salzburg, das er 1955 mit Auszeichnung abschloss.

Seine ersten Bühnenengagements hatte Merkatz am Kleinen Theater in Heilbronn und am Salzburger Landestheater. In Heilbronn lernte er auch seine Frau Martha Metz kennen, mit der er seit 1956 verheiratet ist. Danach ging er für einige Jahre nach Deutschland, wo er an den Städtischen Bühnen Nürnberg, an den Bühnen der Stadt Köln, am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, am Thalia Theater Hamburg und den Münchner Kammerspielen arbeitete – mehr dazu in noe.ORF.at.

Eines seiner Lieblingsstücke war Samuel Becketts „Warten auf Godot“. Am Burgtheater und bei den Salzburger Festspielen 2005 war er in „König Ottokar“ zu sehen und gab im selben Jahr im „Jedermann“ den armen Nachbar. Auch in Franz Kafkas „Ein Bericht an eine Akademie“ wusste er immer wieder zu beeindrucken.

Merkatz wirkte auch in Operetten mit. 1993 spielte er erstmals in einer Musicalrolle am Stadttheater Klagenfurt als „Der Mann von La Mancha“ und später am Theater an der Wien als Milchmann Tevje in „Anatevka“. 2009 gab er seinen Abschied von der Theaterbühne bekannt – sein großer Wunsch, einmal den „König Lear“ zu spielen, ging nicht in Erfüllung. Nachdem er ab 2008 erfolgreich sein Kabarettprogramm „Der Blunzenkönig“ auf die Bühne brachte, kam das Stück 2015 mit Merkatz in der Hauptrolle auch in die heimischen Kinos.

Im Lauf seiner Karriere war Merkatz in mehr als 250 Film- und Fernsehproduktionen zu sehen. Den Durchbruch und seinen bis heute prägenden Auftritt hatte er in „Ein echter Wiener geht nicht unter“ (1975 bis 1979). Die Rolle des „Mundl“ wurde zu einer der populärsten Fernsehfiguren der Zweiten Republik und machte Merkatz zu einem der beliebtesten Schauspieler.

2008 fand die Erfolgsgeschichte des Edmund Sackbauer mit dem Film „Echte Wiener – Die Sackbauer-Saga“ eine erfolgreiche Fortsetzung, der sich 2010 „Echte Wiener 2 – Die Deppat’n und die Gspritzt’n“ anschloss. Für die Rolle des Karl Bockerer wurde er 1982 mit dem Filmband in Gold und dem Deutschen Schauspielpreis ausgezeichnet.

Auf 13 Folgen brachte es die TV-Serie „Der Spritzen-Karli“. Für „Anfang 80“ erhielt er 2013 unter anderem den Österreichischen Filmpreis als bester Hauptdarsteller. Aber auch von offizieller Seite gab es zahlreiche Ehrungen, etwa das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst, die Goldene Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien und 2002 das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich.

„So bin ich“, heißt seine 2005 erschienene Autobiografie (Styria Verlag), „Ein Schamerl braucht vier Haxen“ war der Titel seiner 2015 von Christoph Frühwirth aufgezeichneten Erinnerungen (Amalthea Verlag). In einem Ö1-„Hörbild“ sagte Merkatz einmal: „Das Wort ‚Karriere‘ existiert in meinem Wortschatz nicht. Mir ist es immer darum gegangen, zu arbeiten, Menschen zu unterhalten, ihnen, so gut es geht, eine Freude zu bereiten. Manchmal ist mir das, so hoffe ich, gelungen.“

Quelle: ORF.at

Foto: Tiemo Frantal, kontrast.at

Zeit.Gespräche heute mit Kammersänger Harald Serafin

In dem Format „Zeit.Gespräche mit Gerhard Schmid“ kommen Persönlichkeiten zu Wort, die Wien gestaltet haben und gestalten. Es sind MedizinerInnen, Wirtschaftstreibende, KünstlerInnen, sowie PolitikerInnen, PhilosophInnen oder DenkerInnen.

„Glück braucht man in unserem Beruf – und in meinem Fall war das Otto Schenk. Er hat mich entdeckt“, sagt Professor Harald Serafin, Bariton, beliebter Kammersänger und langjähriger Intendant der Seefestspiele Mörbisch im Gespräch mit Gerhard Schmid. Weiters spricht er über „Selbstfindung“ und „über Einschnitte in der Karriere und vom Drüberspringen über Niederlagen und Ärger.“

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„Zeit.Gespräche mit Gerhard Schmid“ ist ein Blog des SPÖ Bundesbildungsvorsitzenden GR LAbg. Gerhard SCHMID in Kooperation mit dem Dr.-Karl-Renner Institut.

Verleihung der Dr.-Karl-Renner-Preise der Stadt Wien 2022

Die Dr.-Karl-Renner-Preise der Stadt Wien werden alle drei Jahre von einer unabhängigen Jury an Personen oder Personengemeinschaften vergeben, die in besonderer Beziehung zur Bundeshauptstadt stehen und die sich hervorragende Verdienste um Wien und Österreich in kulturellen, sozialen sowie wirtschaftlichen Belangen erworben haben. „Als Vorsitzender des gemeinderätlichen Kultur- und Wissenschaftsausschusses durfte ich am 11. November 2022, im Stadtsenatssitzungssaal des Wiener Rathauses, an eine herausragende Dame, sowie an einen Verein, vertreten durch die Geschäftsführerin, diese Preise überreichen“, berichtet LAbg. Gerhard Schmid.

Die Preisträger*innen:

Prof.in MMag.a Anna Jermolaewa: ist Mitglied des Vereins „Ariadne – Wir Flüchtlinge für Österreich“: Zweck des Vereins ist die Unterstützung von Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten und in Österreich ein neues Zuhause suchen, insbesondere durch Intervention und Hilfestellung in Einzelfällen. Für die vertriebenen Kinder aus der Ukraine stellt der Verein laufend ein Programm zusammen, an dem sich Sport- und Kreativklubs, Museen, Stadtführungen und Mitglieder des Vereins beteiligen.

Interface Wien GmbH für das Projekt Jugendcollege (vertreten durch die Geschäftsführerin Mag.a Margit Wolf): Interface Wien fördert die gesamtgesellschaftliche Integration von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Migrationshintergrund. Jugendcollege StartWien ist ein schulanaloges und erwachsenenbildungsgerechtes Bildungsangebot, in dem die Teilnehmer*innen auf den Eintritt in eine Lehre oder eine weiterführende Schule vorbereitet werden.

„Leider konnte ich Herrn Bundesminister a.D. Erwin Lanc krankheitsbedingt den verdienten Preis nicht überreichen, hoffe dies aber nachträglich tun zu können. Nach seinem Rückzug aus der Tagespolitik von 1989 bis 2008 setzt sich als Präsident und seit 2008 als Ehrenpräsident des International Institute for Peace (IIP) stark für die Förderung von friedlichen Konfliktlösungen, den Dialog und ziviles Engagement ein. Ich wünsche ihm eine gute Besserung“, so Gerhard Schmid, der sich für das Engagement der zahlreichen Vereine und Personen, die einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachgehen, ob im Kulturbereich oder bei einer Hilfsorganisation bedankte.

Gerhard Schmid: „Menschen, die anderen Menschen helfen oder einen wertvollen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten, sind eine ganz besondere und wichtige Stütze für unsere Stadt! Das Gemeinsame und Einende muss immer im Vordergrund stehen!“

FOTOS: PID, Stadt Wien, 2022

Die Dr.-Karl-Renner-Preise der Stadt Wien werden seit 1951 alle drei Jahre vergeben. Bisherige Preisträgerinnen und Preisträger: [https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Dr.-Karl-Renner-Preise] (https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Dr.-Karl-Renner-Preise)

„Uns muss jedes Kind gleich viel wert sein….“ – Interview mit Gerhard Schmid

Die Redaktion der ZUKUNFT hat Gerhard Schmid, den Bundesbildungsvorsitzenden der SPÖ, anlässlich der Themenausgabe 100 Jahre Bildung für Wien um ein Interview gebeten, in dem auch er das Rote Wien aktualisiert. Unter anderem betont er, dass der Klassenkampf in unseren Schulklassen beginnt.

Alessandro Barberi: Lieber Gerhard, die österreichische Sozialdemokratie erinnert nach etwa 100 Jahren auf verschiedenen Ebenen an die Bildungspolitik des Roten Wien. Was bleibt von der sozialistischen bzw. sozialdemokratischen Bildungspolitik, die etwa mit dem Namen Otto Glöckel verbunden ist?

Gerhard Schmid: Von Otto Glöckel nehmen wir mit, dass im Mittelpunkt aller pädagogischen Bestrebungen das Kind bzw. die Jugendlichen stehen müssen. Wir nehmen auch mit, dass die modernsten pädagogischen und psychologischen Errungenschaften in den pädagogischen Alltag einzubauen sind, immer vor dem Hintergrund, Bildungsbarrieren abzubauen und die Chancengleichheit unabhängig vom sozialen Status der Eltern zu verwirklichen.

A. B.: Mit dem Wiener Karl-Marx-Hof fand in Wien auch die große Tradition des Austromarxismus ihren architektonischen Niederschlag. Was bleibt aus Deiner Sicht und im Blick auf die sozialdemokratische Bildungspolitik der Gegenwart von Denkern wie Rudolf Hilferding oder Max Adler?

G. S.: Das Wichtige in der Pädagogik Otto Glöckels und die Prinzipien von Rudolf Hilferding, Max Adler oder Otto Bauer und ihrer Mitstreiter*innen, die zu ihrer Zeit die bedeutendsten Theoretiker*innen ihrer wissenschaftlichen Disziplinen waren, ist, dass im Hintergrund ihrer Handlungen eine ideologische Programmatik stand, deren Ziel es schon damals war, Bildungsbarrieren abzubauen und dem Grundsatz der klassenlosen Gesellschaft zu entsprechen. Der „Neue Mensch“ sollte ja gerade durch Bildung hergestellt werden. Heute können wir derartiges nur anstreben und erreichen, wenn wir Bildungssackgassen öffnen und der Reproduktion von Bildungschancen entgegenwirken (damit sich z. B. Familien von Akademiker:innen hinsichtlich der Bildungstitel nicht nur selbst reproduzieren). Es ist sehr wichtig, ein breites Angebot an Bildungsmöglichkeiten entlang der Vielfalt von Begabungen zu schaffen und gleichzeitig die sozialen Unterschiede durch entsprechende Investitionen in das Bildungssystem auszugleichen. Die Entwicklung eines Kindes und eines Jugendlichen darf nicht von der sozialen Stellung und Ausbildung der Eltern abhängig sein. Nur eine gleiche Bildung ist auch die beste Bildung für unsere Kinder und Jugendlichen.

A. B.: Du meinst also auch, dass unser Bildungssystem soziale Klassenunterschiede in unseren Schulklassen nach wie vor auf das Härteste reproduziert?

G. S.: Viele Studien zeigen, dass der Reproduktionsfaktor in Bildungskarrieren sehr hoch ist. Haben die Eltern Matura, dann ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder Matura haben, eine sehr große. Und das überträgt sich natürlich auf Studien- und andere Bildungsabschlüsse. Daher ist es wichtig, diese Klassenunterschiede auszugleichen, und zwar erstens durch eine Verdichtung der Angebote, zweitens durch den Abbau von Bildungsbarrieren und drittens durch begleitende soziale Stützmaßnahmen. Mit der Einführung der Berufsreifeprüfung, die sich vor allem an die Absolvent*innen des dualen Ausbildungssystems richtet, ist ein guter Schritt in die richtige Richtung gemacht worden.

A. B.: Wo siehst Du die größten bildungspolitischen Herausforderungen für Wien, aber auch für ganz Österreich?

G. S.: Eine der großen Herausforderungen für die Bildungspolitik – vor allem in den urbanen Ballungsräumen, also vor allem in Wien – sind die Folgen der Migration. Das betrifft vor allem die Probleme, die mit der Sprachkompetenz verbunden sind. Hier muss massiv in kleine Klassen und Gruppenformen investiert werden und das ist mit Kosten verbunden. Diese Aufwendungen sind entsprechend sicherzustellen. Denn nur wenn wir uns in konzentrierter und guter Form um jedes einzelne Kind und jeden einzelnen Jugendlichen kümmern können, wird es möglich sein, diese großen Herausforderungen zu meistern. In diesem Zusammenhang dürfen auch die soziale Situation und Umgebung der Kinder und Jugendlichen und andere Bereiche wie Wohnen und Gesundheit nicht außer Acht gelassen werden. Schule ist niemals von den gesellschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen losgelöst, also auch nicht isoliert zu betrachten! Das wurde gerade angesichts der Pandemie im Rahmen des Homeschoolings deutlich. Die technologische Ausstattung, also die Hardware der Unterrichtsmittel, ist ein großes Thema und hier sind massive Investitionen notwendig, um auch im Bereich der Technologien gleiche Voraussetzungen für alle zu schaffen.

A. B.: Die Sozialdemokratie fordert seit jeher – und auch das seit Otto Glöckel – Gesamtschulen und Ganztagsschulen im Sinne der Bildungsgleichheit und stößt dabei immer wieder auf konservative und reaktionäre Widerstände, die ein selektives und elitäres Bildungssystem erhalten wollen. Wie könnte aus Deiner Sicht dieser immer wiederkehrende Zirkel durchbrochen werden?

G. S.: Bei den Ganztagsschulen sind wir ein gutes Stück weitergekommen und können das auch mit dem modernen pädagogischen Konzept der verschränkten Ganztagsschule verbinden, so dass auch am Nachmittag – nach entsprechenden Ausgleichsphasen – unterrichtet wird. Hinsichtlich der Gesamtschule ist die Ausgangslage nach wie vor klar und unmissverständlich. Die Trennung der Bildungswege in Österreich ist auch im internationalen Vergleich zu früh und alle entwicklungspsychologischen und vergleichenden Studien in diesem Zusammenhang zeigen das eindeutig. Leider ist es uns noch immer nicht gelungen, eine breite Mehrheit in der Bevölkerung zu gewinnen. In den urbanen Räumen hat sich aber eine Entwicklung in Richtung AHS ergeben. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass dieses bildungspolitische Ziel nach wie vor auf der Agenda der Sozialdemokratie stehen muss und es für uns wichtig ist, auch im gesamten gesellschaftspolitischen Spektrum Bündnispartner*innen zu gewinnen.

A. B.: Du setzt Dich als Pädagoge in allen Wortbedeutungen für ein soziales und demokratisches Bildungssystem ein. Warum schafft es die SPÖ dann z. B. nicht – in Erinnerung an Hertha Firnberg – die durch den Bolognaprozess abgeschaffte studentische Mitsprache wieder zum Thema zu machen (und in der Folge auch umzusetzen)? Wie stehst Du mithin zum Gedanken der Drittelparität auf allen Ebenen des Bildungssystems?

G. S.: Die Demokratisierung der Bildungsprozesse ist uns vor allem im tertiären Bereich ein ganz wichtiges Anliegen. Mit dem Schulunterrichtsgesetz von 1974 unter der Ägide von Fred Sinowatz ist es uns gelungen, ein höheres Maß an Demokratisierung auch in die schulischen Prozesse zu bringen. Hertha Firnberg hat es geschafft, eine Demokratisierung der Hochschulen und Universitäten voranzubringen. Unter konservativer Bildungspolitik hat es auch hier deutliche Rückschritte gegeben. Sozialdemokrat*innen müssen dieses Ziel selbstverständlich weiterhin mit großer Leidenschaft und Energie verfolgen. Und es ist wichtig, auch den Mittelbau an den Universitäten und Hochschulen wieder zu stärken. Und sollte die Sozialdemokratie in diesem Bereich wieder Verantwortung übernehmen, so muss die Demokratisierung des Bildungssystems eine der prioritären Zielsetzungen sein.

Ein weiteres Themenfeld, mit dem wir uns auch nachdrücklich zu beschäftigen haben, sind die massiven Privatisierungstendenzen im tertiären Bildungsbereich. Hier verschieben sich gerade die Strukturen und wir haben dafür zu sorgen, brutale Exklusion und Elitenbildung zu verhindern.

A. B.: Welche pädagogischen Modelle stehen dem Lehrenden Gerhard Schmid vor Augen, wenn er Bildungspolitik betreibt? Denkst Du dabei etwa an ein Unterrichten „auf gleicher Augenhöhe“ oder an Selbstermächtigung und Partizipation?

G. S.: Natürlich ist Unterrichten auf Augenhöhe etwas Wichtiges, aber ganz zentral ist die Vermittlung des emanzipatorischen Ansatzes. Demokratiebildung, politische Bildung und auch Fragen der Ethik müssen einen zentralen Raum in Lern- und Bildungsprozessen einnehmen. Auch im Sinne des seinerzeit von Fred Sinowatz entwickelten Grundsatzerlasses der politischen Bildung ist es wichtig, junge Menschen zu aufrechten Demokrat*innen und aktiven Staatsbürger*innen zu erziehen bzw. sie mit jenen Instrumenten und Werkzeugen auszustatten, die ihnen Mitsprache und Partizipation erst ermöglichen.

A. B.: Eine Frage nach Deinem eigenen Bildungsweg: Wie hat sich Dein Studium der Pädagogik oder auch Deine Lehrtätigkeit an der PH Wien und der Universität Wien auf Deine Bildungspolitik ausgewirkt?

G. S.: Das Studium der Pädagogik an der Universität hat sicher viele interessante Aspekte aufgezeigt, war aber doch sehr theoretisch angelegt. Hier war das Studium der Pädagogik an der Berufspädagogischen Akademie von großer Bedeutung, weil die Anwendung pädagogischer Modelle und deren praktische Umsetzung im Mittelpunkt standen. Aber grundsätzlich ist es wichtig, in Lehrer*innenbildung und -ausbildung, aber auch in Fortbildung zu investieren. Dabei ist in Österreich vor allem der Bereich der europäischen Bildung zu kurz gekommen. Hier haben wir wie bei der politischen Bildung insgesamt großen Nachholbedarf und es waren vor allem konservative Regierungen, die Fortschritte massiv gebremst haben. Es wurde diesbezüglich wenig in Lehrer*innenbildung und Unterrichtsmaterialien, also etwa gute Schulbücher, investiert.

A. B.: Welche Auswirkungen hat der Digitale Humanismus auf das Bildungssystem und wie können wir humanistische Werte im digitalen Zeitalter unmittelbar und zwischenmenschlich leben?

G. S.: Der Digitale Humanismus ist heute ein unabdingbares Element von Lern- und Bildungsprozessen. Wir leben in einer digitalisierten Zeit, das zu leugnen bzw. wegzudiskutieren ist sinnlos. Wir müssen auch hier darauf achten, dass alle die gleichen Chancen vorfinden, die gleichen Zugänge, die gleiche Grundbildung. Natürlich müssen auch alle die technologische Möglichkeit haben, die entsprechende Hardware einzusetzen, denn auch hier offenbaren sich große soziale Unterschiede wie mit dem Begriff Digital Divide eingehend diskutiert wurde. Die Aufgabe der Sozialdemokratie muss es also sein, diese sozialen Unterschiede auch in der Bereitstellung der entsprechenden technologischen Möglichkeiten auszugleichen. Uns muss jedes Kind gleich viel wert sein und es ist notwendig, auch entsprechend zu investieren. Dabei müssen wir die digitale Entwicklung immer mit den Grundsätzen des Humanismus in Verbindung bringen, denn im Sinne eines humanistischen Bildungsideals ist es wichtig, die modernen Formen der Digitalisierung auch im Sinne der Menschen, für die Emanzipation der Menschen, aber auch für ihre soziale Sicherheit einzusetzen.

A. B.: Wie denkst Du, wird sich die Wiener Bildungslandschaft 100 Jahre nach dem Roten Wien auf dem Weg in die ZUKUNFT entwickeln?

G. S.: Die Wiener Bildungslandschaft wird auch in 100 Jahren eng mit der Entwicklung dieser Stadt in Verbindung stehen müssen, wenn wir den international anerkannten Status, eine der lebenswertesten Städte der Welt zu sein, erhalten wollen. Wenn wir diesen Ruf beibehalten wollen, dann müssen wir vor allem ins Bildungssystem investieren, in den Schulausbau, in die Ausstattung und in die Hardware. Wir müssen auch politisch Druck auf den Bund ausüben, damit die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung gestellt werden bzw. auch Lehrer*innen über eine bestmögliche Ausbildung verfügen. Die Werte eines Otto Glöckel, untrennbar mit den sozialdemokratischen Grundprinzipien verbunden, haben in den letzten 100 Jahren, bzw. in den demokratischen Jahren davon, neue Akzentuierungen erfahren und wurden im Sinne der jeweiligen Zeit angepasst. In ihren wesentlichen und fundamentalen Zügen sind sie aber unverändert geblieben und das sollten wir auch im Rahmen der nächsten 100 Jahre in Erinnerung rufen und behalten.

Gerhard Schmid ist ehemaliger SPÖ-Bundesgeschäftsführer und Bundesbildungsvorsitzender der SPÖ. Er ist Bezirksparteivorsitzender in Hietzing, Mitglied des Wiener Gemeinderates und Landtags sowie Hochschulprofessor an der Pädagogischen Hochschule des Bundes in Wien.

Alessandro Barberi ist Chefredakteur der Fachzeitschriften ZUKUNFT (www.diezukunft.at) und MEDIENIMPULSE (www.medienimpulse.at). Er ist Historiker, Bildungswissenschaftler, Medienpädagoge und Privatdozent. Er lebt und arbeitet in Magdeburg, Wien und St. Pölten. Politisch ist er im Umfeld der SPÖ Bildung und der Sektion Wildganshof (Landstraße) aktiv. Weitere Infos und Texte online unter: https://lpm.medienbildung.ovgu.de/team/barberi/.

Zeit.Gespräche heute mit Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn

In dem Format „Zeit.Gespräche mit Gerhard Schmid“ kommen Persönlichkeiten zu Wort, die Wien gestaltet haben und gestalten. Es sind MedizinerInnen, Wirtschaftstreibende, KünstlerInnen, sowie PolitikerInnen, PhilosophInnen oder DenkerInnen.

Zu Gast ist diesmal einer der bedeutendsten Europapolitiker unserer Zeit: Der dienstälteste Außenminister der Europäischen Union, der Sozialdemokrat Jean Asselborn, seit 2004 Außenminister des Großherzogtums Luxemburg. Er zählt seit vielen Jahren zu den bedeutendsten Akteuren der europäischen Politik. Mit ihm spricht Gerhard Schmid über den Krieg in Europa, die weltpolitische Entwicklung sowie über die Werte und Zielsetzungen europäischer Politik.

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„Zeit.Gespräche mit Gerhard Schmid“ ist ein Blog des SPÖ Bundesbildungsvorsitzenden GR LAbg. Gerhard SCHMID in Kooperation mit dem Dr.-Karl-Renner Institut.

„Die Zukunft Europas“ – Schmid: „EU wurde als Friedensprojekt gegründet und wird weiter das Verbindende über das Trennende stellen“

Die SPÖ-Bundesbildung lud Jean Asselborn zum Gespräch mit Michael Ludwig und Heinz Fischer über die Zukunft Europas – Einigkeit, dass EU Herausforderungen nur gemeinsam meistern kann

Auf Einladung der SPÖ-Bundesbildung fand gestern, Donnerstag, in der Wiener Urania eine hochrangig besetzte Diskussionsveranstaltung unter dem Titel „Die Zukunft Europas“ statt. Nach der Begrüßung durch SPÖ-Bundesbildungsvorsitzenden Prof. Dr. Gerhard Schmid diskutierten Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn, Wiens Bürgermeister Dr. Michael Ludwig sowie Dr. Heinz Fischer, Bundespräsident a.D., über aktuelle Herausforderungen der EU. Die Diskutanten waren sich einig, dass die großen Herausforderungen nur mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung der EU-Mitgliedstaaten gemeistert werden können. Durch die Diskussion geführt hat ORF-Moderatorin Mag.a Patricia Pawlicki.

Im Zentrum der Diskussion standen aktuelle Krisen wie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und Fragen der Energieversorgung. In seinen Grußworten betonte Schmid die verbindende Rolle der EU: „Die EU wurde als Friedensprojekt gegründet und wird weiter das Verbindende über das Trennende stellen.“ „Wir müssen als EU schauen, dass Energie verfügbar ist und dass sie bezahlbar ist“, plädierte Asselborn für eine Stärkung der Unabhängigkeit der EU von russischem Gas und für den Ausbau Erneuerbarer Energien. Ludwig setzte sich für einen koordinierten Gaseinkauf der EU am Weltmarkt ein, auf dem gemeinsames Auftreten „etwas ganz Wichtiges“ sei. „Im besten Fall entwickelt sich der Krieg in Richtung Schweigen der Waffen und die EU schafft es, die wirtschaftliche Krise und den Preisauftrieb durch vernünftige Maßnahmen zu bremsen“, plädierte auch Fischer für ein gemeinsames Vorgehen der EU.

Neben aktuellen Krisen ging es bei der Diskussionsveranstaltung auch um die Grundwerte der Europäischen Union. „Wir dürfen es als EU nicht hinnehmen, dass Justiz oder Medien nicht frei sind“, sagte Asselborn mit Verweis auf Länder wie Ungarn und Polen. Man müsse jeden Tag dafür kämpfen, dass die Grundwerte und Regeln der Demokratie eingehalten werden. Nur „wenn wir weiter die gemeinsamen Werte respektieren, kann die EU die EU bleiben“, so Asselborn.

„Jean Asselborn und ich sind uns einig: Es braucht mehr und nicht weniger Europa. Ein Europa der Solidarität, des sozialen Zusammenhalts und der Kooperation angesichts der vielen Krisen unserer Zeit. Städten kommt hier eine wichtige Bedeutung bei der Problemlösung zu“, sagte Ludwig, der sich eine engere Einbindung der Städte in die europäische Agenda wünscht.

Fotos: Markus Sibrawa

Zeit.Gespräche heute mit dem österreichischen Spitzendiplomaten Dr. Wolfgang Petritsch

In dem Format „Zeit.Gespräche mit Gerhard Schmid“ kommen Persönlichkeiten zu Wort, die Wien gestaltet haben und gestalten. Es sind MedizinerInnen, Wirtschaftstreibende, KünstlerInnen, sowie PolitikerInnen, PhilosophInnen oder DenkerInnen.

„Die EU ist ein Friedensprojekt, das wir nun unter Umständen wehrhaft absichern müssen“, sagt einer der wohl profiliertesten Spitzendiplomaten Europas, Dr. Wolfgang Petritsch im Gespräch mit Gerhard Schmid. Und für ihn gab es „beim Kalten Krieg eine klare Trennung zwischen Ost und West. Die jetztige Konfrontation ist sehr viel komplexer.“ Weitere Themen: Der Krieg in der Ukraine, Neutralität, menschliche Sicherheit und politische Fehler – wie den Assoziationsvertrag der EU mit der Ukraine.

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„Zeit.Gespräche mit Gerhard Schmid“ ist ein Blog des SPÖ Bundesbildungsvorsitzenden GR LAbg. Gerhard SCHMID in Kooperation mit dem Dr.-Karl-Renner Institut.

Zum 75. Geburtstag von Lukas Resetarits

„Er gilt zurecht als Urgestein der Österreichischen Kabarettszene. Seit 45 Jahren steht er auf der Bühne und sorgt nach wie vor für Begeisterung beim Publikum. Mit seinem unverwechselbaren Schmäh nimmt er sich aktueller Themen an und sorgt dabei nicht nur für Lacher, sondern regt ganz nebenbei auch zum Nachdenken an. Neben dem Kabarett ist der vielseitige Sprachkünstler auch als Schauspieler erfolgreich: Als Major-Kottan ist er legendär, und er spielte in zahlreichen Fernsehserien mit. Der wortgewandte Erzähler und Politkommentator erhielt zurecht schon zahlreiche Preise und Ehrungen. Herzlichen Glückwunsch zum 75er! Wir freuen uns auf viele weitere Kabarettprogramme“, betont der SPÖ-Bundesbildungsvorsitzende, LAbg. Prof. Dr. Gerhard Schmid anlässlich des 75. Geburtstags von Lukas Resetarits am 14. Oktober.

Hinweis: Lukas Resetarits war Gast in den Zeit.Gesprächen mit Prof. Gerhard Schmid.

Das kurzweilige Gespräch können Sie hier im Video sehen!

Schmid: Eigene Gasse für unseren bedeutsamsten Journalisten Hugo Portisch – samt kleiner Rettungsaktion für Ö1 und FM4

Die neue Hugo-Portisch-Gasse direkt vor dem ORF-Zentrum auf dem Küniglberg (der ehemaligen Wirkungsstätte des Top-Journalisten) wurde heute durch Bürgermeister Michael Ludwig, ORF-Generaldirektor Roland Weißmann und Alt-ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz mit der Enthüllung des Straßenschildes der Öffentlichkeit präsentiert. Anwesend war unter anderem auch SPÖ-Gemeinderat und Kultursprecher Gerhard Schmid, der noch im Juli 2020 im Rahmen seines Podcast-Formats „Zeit.Gespräche“ ein Interview mit ihm führte. „Hugo Portisch gehört zu den bedeutendsten Journalisten unseres Landes. Er war Vorbild und Vordenker. Auf einzigartige Weise konnte er komplexe politische wie zeitgeschichtliche Zusammenhänge mit einfachen Worten, aber gleichzeitig spannend erklären. Portisch war eine Klasse für sich.“

Ganz im Sinne der Journalistenlegende: Ö1 und FM4 müssen erhalten bleiben

Bei der Präsentation der neuen Hugo-Portisch-Gasse machten auch Plakate auf die aktuelle Situation von Ö1 und FM4 aufmerksam. Im Sinne des Bildungs- und Kulturauftrags, der in besonderer Weise von Hugo Portisch gelebt wurde, appelliert ebenso Schmid – Vorsitzender des Gemeinderatsausschusses für Kultur und Wissenschaft – dafür, die geplanten Sparmaßnahmen für Ö1 und FM4 nochmals zu überdenken.

„Sehr wahrscheinlich ganz im Sinne von Hugo Portisch, der sich Zeit seines Lebens immer für die Wahrheit und vor allem für guten Journalismus eingesetzt hat. Und dazu zählt auch die Vielfalt in der Medienlandschaft“, unterstreicht Schmid.

8. Oktober: Zum 100. Geburtstag von Dkfm. Dr. Heinz Kienzl

„Heinz Kienzl würde am 8. Oktober seinen 100. Geburtstag feiern. Ein Anlass, an den großen Wirtschaftsexperten und Architekten der Österreichischen Wirtschaftspolitik zu erinnern“, erklärt der Vorsitzende der SPÖ-Bundesbildungsorganisation, Prof. Dr. Gerhard Schmid. „Kaum ein Bundeskanzler, Minister oder Unternehmenschef hat zur Wirtschaftspolitik der Zweiten Republik und ihren Erfolgen so viel beigetragen wie der Gewerkschafter und Notenbanker Heinz Kienzl, der als Chef der Nationalbank entscheidend die Sozialpartnerschaft und die Hartwährungspolitik geprägt hat“, so Schmid.

Heinz Kienzl wurde am 8. Oktober 1922 in Wien geboren und wuchs als Sohn eines Drogisten in Wien auf. Unter dem NS-Regime wegen der jüdischen Herkunft seiner Mutter aus „rassischen“ Gründen verfolgt, arbeitete er als Freileitungselektriker für die Technische Nothilfe. Während des Krieges sympathisierte er mit der Vierten Internationale (Trotzkisten), schloss sich aber 1945 der SPÖ an.

Kienzl studierte an der Hochschule für Welthandel in Wien und schloss mit Doktorat ab (Dissertationsthema: Die Währungsmaßnahmen der 2. Republik). Er war ab 1947 im ÖGB beruflich tätig. 1950 bis 1968 fungierte er als Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung. 1954 bis 1969 war er gewählter Arbeiterkammerrat. Kienzl war auch Mitbegründer der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft, die seit 1961 demoskopische Umfragen zu sozial relevanten Themen durchführt und veröffentlicht.

Von 1973 bis 1988 fungierte er als Generaldirektor und von 1988 bis 1993 als 1. Vizepräsident für die Österreichische Nationalbank. Gemeinsam mit dem damaligen Finanzminister Hannes Androsch und dem Präsidenten der Nationalbank Stephan Koren war er maßgeblich an der Durchsetzung der österreichischen Hartwährungspolitik beteiligt. Kienzl trat als engagierter Verfechter der friedlichen Nutzung der Kernenergie und als früher Verfechter einer gemeinsamen europäischen Währung auf. Heinz Kienzl starb am 29. Jänner 2020 im 98. Lebensjahr.