Am 13. Oktober fand in der Zirkusgasse 23 in der Leopoldstadt die Gedenksteinlegung für den in der Shoa ermordeten Bibliothekar Julius Mehrer und seine Familie statt. Initiiert von den Stadt Wien – Büchereien wurde in Zusammenarbeit mit dem Verein „Steine des Gedenkens“ und in Anwesenheit des Enkels von Julius Mehrer, Amos Russak, dessen Familie sowie Vizebürgermeister Wiederkehr den Ermordeten gedacht.
Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr: „Es ist wichtig, dass wir als Stadt unserer Verantwortung nachkommen und die Rolle der eigenen Einrichtungen während des Nationalsozialismus aufarbeiten. Mir ist wichtig den Vertriebenen und ihren Nachkommen jenen Respekt zu zollen, den sie verdienen und das Andenken an die Ermordeten zu bewahren. Ich bedanke mich bei den Stadt Wien – Büchereien und dem Verein „Steine des Gedenkens“ für diese besondere Initiative.“
Gemeinderat Gerhard Schmid (SPÖ): „Es ist unsere Pflicht die Erinnerung an die Opfer der größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte hochzuhalten. Diese Erinnerung muss aber immer auch mit einem Blick in die Gegenwart und Zukunft verbunden sein. Daher müssen wir überall wo wir können für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eintreten, für Toleranz und Menschenwürde und allen autoritären Tendenzen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln entgegenwirken. Besonderer Dank gilt dem pensionierten Wiener Bibliothekar Heimo Gruber, der in akribischer Arbeit die wissenschaftlichen Recherchen über das Schicksal dieser Familie getätigt hat.“
Mehrer und seine Familie wohnten vor der Flucht in der Zirkusgasse 23. An dieser Stelle wurde der Erinnerungsstein gelegt. Neben Julius Mehrer wurden auch die Mutter und der Bruder seiner Frau, die ebenfalls in der Zirkusgasse 23 gewohnt haben, sowie weitere 14 Hausbewohner*innen ermordet.
Aufarbeitung der Geschichte der Stadt Wien – Büchereien im Nationalsozialismus
Die Stadt Wien – Büchereien widmen sich der Aufarbeitung der Geschichte der Städtischen Büchereien im nationalsozialistischen Wien. Im Zuge der Recherchen zu jüdischen Mitarbeiter*innen der Büchereien in den 1930er Jahren stieß der Historiker und ehemalige Büchereimitarbeiter, Heimo Gruber, auf das Schicksal von mehreren jüdischen Bibliothekar*innen, die bis 1938 bei den damaligen Arbeiterbüchereien tätig waren und nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten entlassen wurden. Unter ihnen war auch Julius Mehrer, der mit seiner Frau Stella, die bis 1936 ebenfalls bei den Arbeiterbüchereien gearbeitet hatte, nach Belgien flüchtete. Er wurde dort 1942 verhaftet und im Jänner 1943 in Auschwitz ermordet. Stella Mehrer hat im belgischen Untergrund überlebt und ist 1948 nach Israel ausgewandert. „Wir sehen das als unser Erbe, das wir auch verpflichtet sind, weiter zu tragen“, so die stellvertretende Leiterin der Büchereien, Karin Claudi. „Unser Dank gilt den engagierten Mitarbeiter*innen der Büchereien, die sich dieser Aufarbeitung widmen und dem Verein Steine des Gedenkens für die Zusammenarbeit bei dem Versuch, die Erinnerung am Leben zu halten“, so Claudi.