Vortrag vor dem Landesparteivorstand der SPÖ Salzburg am 13. Oktober 2014

Ich kann mich nur auf einige Gedanken und Aspekte dieser 200jährigen Geschichte konzentrieren und ich kann auch nur versuchen, ein paar Schwerpunkte, die sich vor allem auf Europa und Österreich beziehen, heraus zu arbeiten. Ein paar Sidesteps werde ich mir aber dennoch erlauben, um über diesen Rahmen hinaus zu gehen.

Schaut man sich das Jahr 1814 und 1815, also die Zeit des Wiener Kongresses, die Zeit Metternichs, an, so muss man sich natürlich auch mit der französischen Revolution und der Zeit davor beschäftigen. Die Welt vor der französischen Revolution ist ja durch eine Reihe von gesellschaftlichen Entwicklungen im Wandel gewesen. Der Buchdruck oder das Konzil von Konstanz (1414-1418, Beendigung des abendländischen Schismas) in der Katholischen Kirche oder die Wiederentdeckung Amerikas, die Umsegelung Afrikas, die Entwicklung von geistigen Strömungen, die vor allem in den Städten, besonders auch in den oberitalienischen Städten ihren Ausgang genommen haben, das alles hat den Boden für Umbrüche aufbereitet. Die Aufklärung, der Humanismus, die Rationalität und der Empirismus haben eine Entwicklung bzw. Wurzeln, die weit vor der Französischen Revolution anzusiedeln sind.

Durch die Französische Revolution und später durch die napoleonischen Feldzüge hat sich die Weltordnung im Wandel befunden. Der Kampf des Bürgertums um Mitbestimmung, die erstmalige Formulierung von Grund- und Menschenrechten, die Leitgedanken von Vernunft und Rationalität haben ihren Ausgang gefunden und auch nach Napoleon den Pendelschlag, d.h. den restaurativen Pendelschlag bewirkt.

Aber dennoch wurden die Werte der Französischen Revolution in die Welt hinausgetragen und zu diesen Werten kam eine gesellschaftliche Entwicklung, die sich bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts angedeutet hat, nämlich der Beginn der Industrialisierung und neben dem Bürgertum die Herausbildung des Proletariats als gesellschaftlicher Faktor. Die menschliche Arbeit wurde zum Produktionsfaktor und zum Gegenstand des wissenschaftlichen Diskurses von den frühen Theoretikern hin bis zu großen Wissenschaftern und Aufklärern wie Karl Marx und Friedrich Engels. Vor allem die Entwicklung der Dampfmaschine und die Elektrizität haben die geistige, politische und ökonomische Entfesselung dieser Zeit dramatisch begünstigt. Lenin hat später im 20. Jahrhundert einmal gemeint, dass ohne Elektrizität keine russische Revolution möglich wäre und gesellschaftlicher Fortschritt war untrennbar mit der Elektrifizierung verbunden.

Vor der Französischen Revolution wurden die ersten Gedanken der Grund- und Freiheitsrechte bereits 1776 in die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika eingefügt. Es war dies aber eine Zeit des Kolonialismus und des Imperialismus und später stark bestimmt durch die militärische Expansion Frankreichs mit Napoleon Bonaparte.

Der Wiener Kongress 1814 und 1815 war das über Jahrzehnte, wenn nicht über die Spanne eines ganzen Jahrhunderts gelegte zentrale politische Ereignis am Beginn des 19. Jahrhunderts. Der Wiener Kongress hat zum Pendelschlag nach der Französischen Revolution geführt und eine Ordnung geschaffen, die trotz aller Umbrüche (siehe dazu Christopher Clark, Die Schlafwandler) nahezu ein ganzes Jahrhundert gehalten hat. Der Wiener Kongress hat kein politisches Ergebnis gehabt, das heute für politische Überlegungen vorbildlich wäre. Dennoch war er ein zentrales Ereignis, das heute noch die Literatur und die Wissenschaft in höchstem Maße beschäftigt. Übrigens das Standardwerk zum Wiener Kongress wurde von Henry Kissinger, dem wahrscheinlich bedeutendsten amerikanischen Außenpolitiker des 20. Jahrhunderts verfasst und es war auch seine Habilitationsschrift.

 

Aber warum war dieser Wiener Kongress von so großer Bedeutung?

Es war dies die erste große Verhandlungslösung im europäischen Konzert und der erste große Erfolg der Diplomatie und es war das Gelingen einer Verhandlungslösung auf diplomatischem Wege. Untrennbar verbunden mit der dominierenden Persönlichkeit des mächtigen und autoritären Staatskanzlers Metternich. Und nebenbei war der Wiener Kongress auch noch ein ganz wichtiges kulturelles Ereignis. Inhaltlich hat der Wiener Kongress zu einer restaurativen Pentarchie geführt, also dem gemeinsamen Wirken von Österreich, Preußen, Russland, Großbritannien und der neu entstandenen französischen Monarchie.

Die Zeit von der Französischen Revolution über den Wiener Kongress hinweg bis 1848, also bis zum Oktoberaufstand in Wien, war die Zeit, in der das Bürgertum um seine Mitspracherechte gekämpft hat. Nach 1848 – und jeder Student der Rechtswissenschaft der österreichische und europäische Verfassungsgeschichte gelernt hat, weiß das, – hat es immer Anläufe und Rückschläge gegeben, die Werte der Demokratie ins politische System zu bringen. Auf europäischer Ebene sei vor allem die Nationalversammlung 1848 und 1849 in der Frankfurter Paulskirche genannt, die man durchaus als das erste freigewählte Parlament der deutschen Nachfolgestaaten des Heiligen Römischen Reiches bezeichnen kann. Am 17. Juni 1849 scheiterte dieser Versuch und die Parlamentarier wurden von der Württembergischen Regierung auseinander getrieben bzw. des Landes verwiesen. Dennoch war der Prozess unaufhaltsam und die Inhalte unauslöschlich, wenngleich sich bereits die ideologische Differenzierung zeigte.

Nach 1848 gab es von Europa aus die erste große Emigrationswelle nach Übersee, vor allem in die USA, nach Argentinien und Australien, bedingt durch die soziale Lage in großen Teilen Europas und ganz massiv beeinflusst durch die irischen Hungersnöte. Die USA waren für viele das begehrte Ziel, wenngleich sich die Geschichte durch den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg 1861 bis 1865 in eine dramatische Richtung entwickeln sollte. Aber die fünf Mächte in Europa hielten noch zusammen. Die gemeinsame Klammer war die Angst vor revolutionären Bewegungen und Umstürzen.

Mit dem Krimkrieg 1853 zerbrechen aber das europäische Konzert und die sogenannte Pentarchie. Auch durch den Sardinischen Krieg 1859 (in Solferino und Magenta, nachdem Napoleon III das Königreich Sardinien- Piemont gegen Österreich unterstützte) zerbrach die Koalition. Also kann man durchaus sagen, dass in Solferino und Magenta, aber auch durch den Krimkrieg (1853 – 1856), der mit einem Sieg der Alliierten Frankreich, Osmanisches Reich, Vereinigtes Königreich und Sardinien gegen Russland endete und als russisch-türkischer Krieg begann, die Todesglocken für Europa zu läuten begannen und sie läuten ganz stark das Ende der Habsburgische Monarchie ein. Der Krimkrieg war als erster der modernen Stellungskriege besonders verlustreich und der bedeutendste Konflikt in Europa zwischen den napoleonischen Kriegen und dem 1. Weltkrieg.

Königgrätz 1866 (der preußische Sieg über Österreich und Sachsen) und der deutsch-französische Krieg 1870 bis 71 haben diese Entwicklung noch begünstigt. Die Folge war nach 1871 ein deutsches Reich bismarckscher Prägung und aus österreichischer Sicht 1867 der Ausgleich mit Ungarn.

Mit dem Berliner Kongress 1878 wurde ein System von internationalen Garantieverträgen geschaffen, die schon deutlich vom Wiener Kongress mit seiner Fünfer-Orientierung abwichen.

Russland zeigt schon seine Interessenslage und auch seine Interessen an einem kommenden Krieg. Russland will alle Slawen integrieren und hatte das strategische Ziel über den Balkan zu den Dardanellen vorstoßen und damit zum Mittelmeer.

 

Analysieren wir die geopolitische Situation im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts so ist zu sagen:

Das Zarenreich kämpft um mehr Einfluss, die Donaumonarchie kämpft um ihre Existenz als Vielvölkerstaat und das Osmanische Reich kämpft schlicht und einfach ums Überleben.

Unter allen machtpolitischen Konstruktionen und Interessensgemeinschaften kann für das 19. Jahrhundert aber nur eines gesagt werden:

Die einzige Weltmacht des 19. Jahrhunderts ist das britische Empire mit seiner weltweiten Ausrichtung und seinen großen Kolonien.

Mit den Schüssen von Sarajewo vom 28. Juni 1914 gerät die alte Ordnung definitiv aus den Fugen. Trotz aller Konflikte und Kriege in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat sich die Ordnung, die im Wiener Kongress bestimmt wurde, trotz vorübergehender Feindschaften untereinander im Großen und Ganzen gehalten. Mit dem 1. Weltkrieg war aber nunmehr Schluss damit.

Es ist hier nicht die Zeit und Raum über die Ursachen des 1. Weltkrieges zu reden, der ja mit einer unvorstellbaren Begeisterung auch von großen Teilen der organisierten Arbeiterschaft aufgenommen wurde. Der Ausbruch des 1. Weltkrieges ist gleichzeitig der größte historische Fehler der internationalen Sozialdemokratie. In seinem Buch „Die Schlafwandler“ versucht Starhistoriker Christopher Clark (Eröffnungsredner der Salzburger Festspiele 2014) auf die Ursachen dieser ersten großen Menschheitskatastrophe mit ihren 17 bis 18 Mio. Toten einzugehen. Christopher Clark zieht eine differenzierte Sicht hinsichtlich der Ursachen des 1. Weltkrieges und betont vor allem, dass der Krieg von der unterschiedlichsten Interessenslage der wichtigsten politischen Akteure in den europäischen Metropolen in einer überaus komplexen Welt sich entwickelt hat.

Gegenseitiges Misstrauen, Fehleinschätzungen, Überheblichkeit, Expansionspläne und nationalistische Bestrebungen haben zu einer Situation geführt, in der ein Funke ausschlaggebend war, den Krieg auszulösen und niemand damals in der Lage war, die verheerenden Folgen abzuschätzen. Bildmaterial aus dem Österreichischen Staatsarchiv zeigt heute Ulanen- Divisionen der K.u.K. Armee (an der Ostfront), wie sie zu Pferd und mit erhobenen Säbel auf der Basis völlig überalterter Technologien in den Krieg zogen. Man hat das nicht ernst genommen, aber schon bald später stellte sich heraus, es war der erste industrialisierte Krieg der Weltgeschichte und erstmals wurden Massenvernichtungswaffen im großen Stil eingesetzt.

Aber der Funke, der Zündfunke, der in Sarajewo den Flächenbrand auslöste, der hätte nach Auffassung vieler Historiker und nicht nur von Christopher Clark überall passieren können – nicht nur in Sarajewo !

Nach dem 1. Weltkrieg folgt auf den Imperialismus eine Deglobalisierung. Herrscherhäuser verschwinden und Imperien zerfallen: Das Zarenreich, die Donaumonarchie, aber auch auf der Siegerseite mit einer gewissen Verzögerung, das britische Empire. Europa und die Welt werden zunehmend vom Nationalismus, Kommunismus und Faschismus bestimmt.

Parallel dazu entwickeln die Vereinigten Staaten von Amerika eine ungeheure Wirtschaftskraft, die schon 1913 doppelt so hoch ist, wie etwa in Großbritannien. Und mit dem Eintritt der USA 1917 in den 1. Weltkrieg beginnt auch das amerikanische Jahrhundert. Das Eintreten der USA hat nicht nur militärische sondern vor allem wirtschaftliche und hegemoniale Effekte.

Auch im 20. Jahrhundert sind die USA nach den großen Einwanderungswellen des 19. Jahrhunderts Zufluchtsort für viele, die von den Nazis verfolgt und vertrieben wurden. Große Wissenschafter etwa wie Oppenheimer, Einstein, Edward Teller oder viele bedeutende Künstlerinnen und Künstler.

War das Weltwährungssystem des 19. Jahrhunderts vor allem noch durch die Goldstandards bestimmt, so hat sich nach dem 2. Weltkrieg der Dollar, in Europa die D-Mark und im letzten Jahrzehnt der Euro als Leitwährungen durchgesetzt.

Russland war durch die Niederlage gegen Japan 1905 wesentlich geschwächt und nach der Revolution von 1917 kam es zum Bürgerkrieg und schließlich zur Übernahme der Macht durch die Bolschewisten. Säuberungswellen unter Stalin und extremen Hungersnöten fielen Millionen Menschen zum Opfer (3,5 Mio. Tote in den 30er Jahren, in der Ukraine durch Holodomor (Hungersnot)). Nach dem 2. Weltkrieg begann dann bis 1989 der Wettbewerb der Systeme, beendet durch den Fall des Eisernen Vorhangs und den Fall der Berliner Mauer. Die Bipolarität ist aber nur kurzfristig zerfallen, wenn überhaupt, denn die Gegenthese ist, die Bipolarität kann dann nicht zerfallen, wenn beide Partner über Atomwaffen mit einer 50,60,70fachen Overkill-Kapazität verfügen. Aber in unserer Zeit kommt es zu einem neuen erstarkten Russland mit Bündnispartnern im asiatischen Raum. Vorher ist es noch zu einer Implosion der Sowjetunion und den Zerfall in ihre Teilstaaten gekommen.

Der 2. Weltkrieg war die größte Katastrophe der Menschheitsgeschichte, der Nationalsozialismus ein verbrecherisches, bestialisches Regime:

60 Mio. Menschen mussten ihr Leben lassen, 6 Mio. Juden in den Konzentrations- und Vernichtungslagern, 1,5 Mio. Kinder, darunter Roma und Sinti, sogenannte minderwertige Rassen, Homosexuelle, politisch Andersdenkende, etc. Erstmals wurden Menschen nach industriellen Gesichtspunkten ermordet und ausgelöscht.

Schon in den Friedensverträgen von Versailles und St. Germain 1918/19 lagen die Wurzeln des kommenden Krieges, des aufkommenden Faschismus begünstigt durch schwache parlamentarische Systeme und die aufkommende Weltwirtschaftskrise. Man hat den Verlierern von 1918 keine Chance gelassen sich zu entwickeln.

Nach 1945 hat sich aber das Projekt der europäischen Integration als historische Einmaligkeit entwickelt. Was mit den mutigen Gedanken großer Persönlichkeiten in Frankreich und Deutschland begann, die gesagt haben, dass es im Herzen Europas nie mehr wieder Feindschaft und Krieg zwischen Deutschland und Frankreich geben dürfe, das hat mit der Unterzeichnung der Europäischen Verträge für die Gemeinschaft von Kohle und Stahl 1951 seinen Beginn gefunden. Große Europäer wie Konrad Adenauer, Robert Schuman und Jean Monet waren es, die mit vielen anderen, den Prozess der Integration vorantrieben, geleitet im Bewusstsein, das die für die Rüstung so bedeutende Grundstoffindustrie einer supranationalen Behörde unterstellt werden muss.

Die nächsten Schritte waren dann der Vertrag von Rom 1956 mit der Gründung der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der EAG- EURATOM. Über die EWG hin zur EG und schließlich zur Europäischen Union der heutigen Tage mit ihren 28 Mitgliederstaaten, das größte Projekt der europäischen Geschichte, das größte Friedensprojekt der europäischen Geschichte und trotz aller Rückschläge eine absolute Erfolgsstory, die den Aufstieg Europas symbolisiert.

Mit dem Aufstieg Europas und des Westens kommt es auch zu einer gesellschaftlichen Säkularisierung, d.h. zum Bedeutungsverlust von Religionen. Das gilt aber nicht für den Islamismus, der heute in einer sehr dramatischen Art und Weise der Säkularität weitestgehend entgegensteht. Wir erleben in rasantem Tempo, wie sich die arabische Welt von säkularen Prinzipien hin zum Islamismus entwickelt hat und Diskussionen wie sie in heutigen Tagen über Wahabiten, Salafisten über den Dschihad, die IS, die Hamas und die Muslimbrüderschaft bestehen, waren vor einigen wenigen Jahren noch undenkbar.

So ist die Situation in der arabischen Welt heute mit der Situation um 1848 in Österreich und in Europa durchaus vergleichbar, wo Restauration und Konterrevolution die zarten Pflänzchen der Reformen zunichte gemacht haben. Heute entwickeln sich Schwellenländer wie Brasilien, Indonesien, Indien und vor allem die Türkei, die vor allem in letzter Zeit starke nationalistisch-islamische Tendenzen zeigt und die geopolitischen Grundlagen wieder ordentlich durcheinander bringt. Ein neuer weltpolitischer Akteur, vor allem im arabischen Raum, d.h. im Nahen und Mittleren Osten kommt hier auf.

Europa hat heute 7 % der Weltbevölkerung und 2050 werden es nur noch 4 % sein. Die heutige Sozialquote liegt in Europa bei 25 % (von der Wirtschaftsleistung) und stellt die Hälfte der globalen Sozialleistungen dar. In Österreich liegt die Sozialquote sogar bei 30 %, in den USA unter 20 %.

Wir erleben eine Explosion der Bevölkerungsentwicklung, einen rasanten Fortschritt in der Medizin. Wir sehen, dass die Frauenbewegung trotz vieler Rückschläge vorwärts kommt. Und mit der Antibabypille, die Carl Djerassi, der Altösterreicher und heute wieder in Österreich lebende große Biochemiker, Anfang der 50iger Jahre mit dem Pharmakonzern Syntax in den USA entwickelte, zu einer gesellschaftlichen Revolution führte. Wir haben nach 1945 die Dekolonialisierung verbunden mit den Namen Mahatma Ghandi und Nelson Mandela erlebt und wir können durchaus positiv auf die Demokratieentwicklung weltweit schauen, wenngleich hier noch sehr viel zu tun ist. 1941 gab es nur 11 Demokratien auf der ganzen Welt und heute leben rund 40 % der Weltbevölkerung in (halbwegs) demokratischen Systemen. Und die Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat uns auch gelehrt, dass die Versuche in Richtung Demokratie in Deutschland, in Spanien, in Italien und auch in Österreich im Faschismus gelandet sind. Daraus sind auch unsere Lehren zu ziehen.

Die Welt von heute ist von Mobilität, von Kommunikation, von Innovation und im Wirtschaftsleben von Rationalisierung und Automatisierung geprägt.

Die Brieftaube wurde durch die Telegraphie abgelöst, diese wiederum durch das Telefon und dieses wiederum in den 90iger Jahren durch die Mobiltelefonie. Heute gibt es weltweit 7 Milliarden Mobilfunkanschlüsse.

James Watson hat 1953 die Struktur der DNA entdeckt und im 20. Jahrhundert ist die Aufschlüsselung des menschlichen Genoms gelungen. In vielen wissenschaftlichen Disziplinen stehen wir vor dramatischen Veränderungen, die sich mit explosionsartiger Wissensvermehrung vollziehen. Die Welt von morgen ist eine, die raschen und grundlegenden Wandel unterzogen sein wird und es uns heute immer schwerer fällt, diesen Wandel auch zu prognostizieren.

So möchte ich abschließend mit Blick auf die 200 Jahre Geschichte zurück, über die ich referieren durfte, blicken und versuchen in wenigen Minuten einige Gedanken und Schlussfolgerungen zusammen zu fassen.

Die Geschichte lehrt uns, dass aus Not, Elend und Unterdrückung Radikalität, das Verschwinden des Parlamentarismus und die Beseitigung der Demokratie folgt.

Die Lehre aus den letzten zwei Jahrhunderten ist, dass Bündnisse nicht für immer bestehen. Aus Freunden werden Feinde und aus Feinden können Freunde werden. Der kanadische Premierminister Palmer, eine der wichtigsten Repräsentanten des British Empire hat in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gesagt:

 

„Britannien hat keine ewigen Feinde. Britannien hat auch keine ewigen Freunde. Britannien hat ewige Interessen!“

 

Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie die Weiterentwicklung der Grund- und Menschenrechte sind streng zu beachten. Demokratie führt zum Frieden und Demokratien, konkret richtige Demokratien, führen keine Kriege. Daher muss die Demokratie jeden Tag aufs Neue erkämpft und erarbeitet werden und es darf auch in Europa keinesfalls zu einer selbstgefälligen Überheblichkeit kommen. Demokratien können durch Krisen auch beseitigt werden.

Die Investition in Bildung ist der zentrale Faktor für den gesellschaftlichen Fortschritt und eine gute Entwicklung der Gesellschaften. Bildung ist das zentrale Element für die Emanzipation der Menschen. Durch Bildung werden heute und in Zukunft noch schneller die Ebenen verflochten und Hierarchien verkürzt. Der Zugang zu Bildung und Wissen muss weltweit auf die breitestmögliche Ebene gestellt werden.

Timothy Snyder schreibt in seinem Buch, das die Lebensgedanken seines Freundes Tony Judt beinhaltet, das er in der letzten Lebensphase von Tony Judt mit ihm erarbeitet hat und das unter dem Titel „Nachdenken über das 20. Jahrhundert“ erschienen ist: „Dass die unversöhnlichen Konflikte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht nur auf den Schlachtfeldern sondern vor allem in den Köpfen ausgetragen wurden und manche dauern bis heute an.“ Es ist ihm ganz wichtig um die kritische Darstellung der großen Politischen Linien in der Moderne gegangen.
Schlussfolgerung:

Damit man in der Lage ist, die kritischen Fragen auch in einem analytisch kritischen Geist stellen zu können, bedarf es massiver Investitionen in die Bildung und es bedarf vor allem, der durch die Demokratie zu sichernden Freiheit des persönlichen Denkens.

Europa muss man vor allem auch als Wert verstehen, um den man jeden Tag aufs Neue kämpfen muss. Europa ist keine Selbstverständlichkeit. Europa ist ein sehr heterogenes Projekt und es ist vor allem sehr vielfältig und vielschichtig und sehr unterschiedlich in seiner Akzeptanz. Europa muss weit über die wirtschaftliche Bedeutung hin als soziales, als demokratisches, als ökologisches und als Friedensprojekt gesehen werden.

Und wieder kommen wir zum Wert der Bildung, denn Europa muss als Bildungswert gesehen und verstanden werden. Und Europa wird sich noch mit einer Frage beschäftigen müssen, nämlich mit der sozialen Symmetrie in unseren Gesellschaften, unabhängig davon, ob diese Forderung politisch- ideologische oder religiöse Wurzeln hat.

„Zähmt den Kapitalismus“ hat die große und bedeutendste Journalistin des Nachkriegseuropas und „Zeit“-Herausgeberin Marion Gräfin Dönhoff, eine der großen Persönlichkeiten aus dem konservativen Lager einmal gesagt und auch mehrere päpstliche Enzykliken haben sich damit beschäftigt.

Soziale Symmetrie mit Augenmaß steht nicht im Widerspruch zum Leistungsprinzip unserer Gesellschaft. Die Sicherung vor allem des Wohlfahrtsstaates als die größte politische Errungenschaft des 20. Jahrhunderts ist ebenso eine zentrale Aufgabe, weil Vorbedingung für Demokratie und Frieden.

Die modernen Gesellschaften haben die größte Achtung und den größten Respekt vor den anerkannten Religionen zu haben und sie haben das persönliche Recht auf freie Religionsausübung mit allen Geboten zu schützen und zu garantieren, aber die Trennung von den Aufgaben des Staates erscheint unerlässlich. Wobei die gesellschaftliche Verankerung großer Glaubensgemeinschaften nicht in Frage zu stellen ist.

Wir müssen die Botschaft auch aus der Geschichte erklärend hinaustragen, dass jeder Einzelne hier einen Beitrag für eine gute Entwicklung zu leisten hat. Wir brauchen eine Philosophie der selbstbewussten Eigenverantwortung und ich wage zu behaupten, dass diese nur durch demokratische Systeme transportiert werden kann. Nur so kann es uns gelingen die großen Herausforderungen zu meistern, damit zwei Grundsätze, die in der Literatur so schön zum Ausdruck kommen, wahr werden. Hermann Hesse hat einmal gesagt: „damit das Unmögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden“ und wenn wir auf 200 Jahre Geschichte zurückblicken, dann müssen wir alles tun um das Wort des großen Philosophen und Dichters Hegel zu widerlegen, „wonach uns die Geschichte nur lehrt, dass man aus ihr nichts lernt.“